Historische Informationen

„Weiß und schwarz Brot ist eigentlich das Schibolet, das Feldgeschrei zwischen Deutschen und Franzosen“ schrieb Goethe am 24. September 1792 während der „Campagne in Frankreich“ und meinte, die Abscheu vor dem dunklen Kommissbrot, das er zwei requirierten Franzosen angeboten hatte, habe zu deren Flucht den letzten Ausschlag gegeben, nach allem anderen erlittenen Unheil des Krieges.

Abgesehen von der besonderen Pointe, dass das hebräische „Schibboleth“ „Ähre“ bedeutet, ist der Ausdruck hier vor allem deshalb besonders glücklich gewählt, als er im übertragenen Sinne nicht eigentlich „Kriegsgeschrei“ bedeutet, wie Goethe anmerkt, sondern, wie die biblische Geschichte von Jeftahs Kampf um Ephraim (Richter, Kapitel 12) zeigt, als eine Art Codewort funktionierte, das nur die eigenen Leute richtig, die Fremden aufgrund ihrer Mundart aber nur „Sibboleth“ aussprechen konnten. Das dunkle Roggenbrot wird somit als der spezifisch deutsche Dialekt im weiten Feld der Brotbereitung gekennzeichnet, und wie unmittelbar die Identifikation mit bzw. die Abscheu vor diesem „Dialekt“ die Menschen beherrscht, hat Goethe trefflich beobachtet.

Wenn das Roggenbrot von ferne gesehen auch das hervorstechende Merkmal "deutschen Brotes" sein mag, so ist die deutsche Brotkultur damit jedoch noch keineswegs erschöpfend charakterisiert. Die Artenvielfalt der Brotsorten in Deutschland sucht weltweit ihresgleichen. Man zählt aktuell über 3.200 verschiedenen Brotspezialitäten im Deutschen Brotregister. Das gibt es nirgendwo sonst. Fragt man nach dem Grund hierfür, so wird man in die Tiefen der Geschichte verwiesen, denn so fraglos die große affektive Bindung der Deutschen an ihr schwarzes Brot (und der Franzosen an ihr weißes) hingenommen wird, so schwer ist sie eigentlich zu erklären. Erst im historischen Rückblick lassen sich eine ganze Anzahl verschiedener Traditionslinien nachzeichnen, die zur Eigenart des „deutschen Brotes“ und seiner Vielfalt geführt haben mögen.

Vom Korn zum Brot

Da Nahrung Voraussetzung für die Existenz aller Lebewesen ist, haben Menschen von jeher viel Intelligenz, Intuition und Beobachtungsgabe darauf verwendet, Nahrung zu finden und zu bereiten. Zu einem sehr frühen Zeitpunkt der Menschheitsgeschichte entdeckte man, dass zerkleinertes und eingeweichtes Getreide, also Brei, nahrhafter und bekömmlicher ist als die rohen Körner.

Brotteig geformt

Später ging es um die Vervollkommnung der Herstellung zum Zwecke der Arbeitserleichterung, vor allem aber um Erhöhung des Genuss- und Nährwerts. Unzählige Entwicklungsschritte in Form größerer und kleinerer Erfindungen, die heute gar nicht mehr alle nachzuvollziehen sind, waren nötig, um diejenigen Fortschritte zu erzielen, die wir auch heute noch erkennen, wenn wir sie in ihrer Bedeutung auch gar nicht mehr richtig einschätzen können. Dabei sind früher die Fortschritte nicht in so rascher Folge erreicht worden wie in den letzten 150 Jahren, gleichwohl waren sie aber die Grundlage für die technische Revolution des 19. und 20. Jahrhunderts. Das gilt auch für die Getreideverarbeitung. Im Folgenden soll eine knappe Übersicht über Erfindungen gegeben werden, deren Urheber unbekannt sind. Eine zeitliche Abfolge der Entwicklungen ist dabei nicht immer gesichert.

Ägypten brachte im 3. Jahrtausend v. Chr. die erste Hochkultur des Brotes hervor. Zahlreiche bahnbrechende Entwicklungen fanden dort statt oder sind von dort erstmals überliefert: das Zerkleinern des Getreides mit Hilfe eines Mörsers, das Mahlen zwischen zwei Steinen, das Trocknen von Brei oder Teig durch Sonnenenergie zwecks Haltbarmachung, das Backen in heißer Asche und Glut, die ersten bekannten Backöfen in verschiedenen Formen, das Backen in erhitzten Tontöpfen und die Entdeckung der Teigsäuerung, die erstmals die Herstellung gelockerter Gebäcke ermöglichte.

Die Germanen erfanden den Tunnelbackofen – wie seine Vorläufer „direkt“ beheizt, d. h. Feuer auf der Herdplatte erhitzt diese und das Gewölbe. In der abgestrahlten Hitze wird gebacken. In der arabischen Welt war der Erdbackofen weit verbreitet.

In der Jungsteinzeit (ca. 3000 – 1800 v. Chr.) verwendete man außerhalb der Hochkulturen in Ägypten und im Zweistromland sogenannte „Backteller“ aus Ton zur Herstellung von Fladen, wobei diese Bezeichnung eigentlich nicht korrekt ist, da es sich nicht um einen Back-, sondern einen Trocknungsprozess handelt. Eine Weiterentwicklung, die vor allem in Ost- und Südosteuropa stattfand, war die Backglocke. Den Römern verdanken wir die Weiterentwicklung des Backofens zur Kuppelform auf einem Unterbau.

Auf dieser technologischen Stufe blieb im Grunde das gesamte Mittelalter stehen. Der direkt beheizte sogenannte „altdeutsche“ Backofen, auch „Brustfeuerungsofen“ genannt, entsprach im Prinzip dem römischen Kuppelofen. Es war der einzige Backofentyp, den es sowohl als Haus- wie auch als gewerblichen Backofen gab. Sein Prinzip bestand, vereinfacht dargestellt, darin, dass auf der Herdfläche ein Feuer entfacht wurde, welches sowohl diese selbst als auch das Gewölbe erhitzte. Nach dem Entfernen von Glut und Asche schob man die Teigstücke in den Backraum. Die Herdfläche von unten und das Gewölbe von oben gaben die zum Backen nötige Wärme an das Backgut ab.

Mit dem bereits 1836 patentierten, jedoch erst 1865 zur Verwendung gekommene sog. Perkins-Heizrohr war die wirklich zukunftsweisende Lösung zur Veränderung der Backtechnik gegeben: Der Dampfbackofen wurde entwickelt – ein indirekt beheizter Backraum, der kontinuierlich beschickt wurde. Nach 1890 konnten durch die Firma Werner & Pfleiderer Stuttgart funktionsfähige Dampfbacköfen in Deutschland und in Wien gebaut werden, die in der Folgezeit ständig weiterentwickelt und verbessert wurden. Aufgrund ihrer technischen Überlegenheit gegenüber herkömmlichen Backöfen setzten sie sich in vielen europäischen Ländern rasch durch und blieben mehr als sechzig Jahre marktbeherrschend. Bäckereien, die einen Dampfbackofen besaßen, nannten sich „Dampfbäckereien“, eine Bezeichnung, die sich in Einzelfällen bis in die Gegenwart erhalten hat. Sie sollte auf die fortschrittliche Einstellung des Bäckers und eine besonders gute Qualität seiner Backwaren hinweisen.

Brot im Kornfeld

Vielfalt

Mit aktuell über 3.200 verschiedenen Brotspezialitäten im Deutschen Brotregister ist Deutschland Brotweltmeister. Kein anderes Land bietet eine solche Vielfalt und Qualität.

Grundsätzlich wird unterschieden zwischen gesäuertem und ungesäuertem Brot. Außerdem unterscheidet man die Brotsorten gemäß dem Mischungsverhältnis von Weizen- und Roggenmehl:

  • Roggenbrote (mindestens 90 % Roggenanteil) wie etwa Pumpernickel
  • Roggenmischbrote (51 - 89 % Roggenanteil)
  • Weizenmischbrote (51 - 89 % Weizenanteil)
  • Weizenbrote (mindestens 90 % Weizenanteil)

Daneben gibt es zahlreiche Spezialbrote, wie z. B. Brote aus Spezialmehlen (Steinmetz-, Schlüter- und Klopferbrot), Brote mit besonderen Teigführungen (Simons-, Graham- und Loosbrot), Brote mit besonderen Zusätzen (Mehrkornbrote), Brote mit Zusätzen von Keimlingen und Samen (Weizenkeim- und Malzbrote sowie Brote mit Zusatz von Ölsamen), Brote mit sonstigen Zusätzen (z. B. Rosinen, Gewürze), Diätbrote (eiweißangereichert, kohlehydrat- und energiereduziert – sie unterliegen besonderen Kennzeichnungsvorschriften), ferner gluten-/gliadinfreies Brot, Diabetikerbrot. Natrium-/kochsalzarmes Brot, das der Verordnung über diätetische Lebensmittel unterliegt.

Jeder dieser Brotarten ist in sich vielfach variierbar durch den Ausmahlgrad des Mehls (Schrot-, Vollkorn-, oder Feinmehl), die Teigführung, die sich auf Brotvolumen, Kruste, Krumenstruktur und Geschmack auswirkt, nämlich: direkte (Hefe-) Führung, Vorteigführung, ein-, zwei- und dreistufige Sauerteigführungen, kombinierte Hefe-Sauerteig-Führungen, Quellstück-/Brühstückführung (nur bei Schrotbrot) sowie verschiedene Arten der Herrichtung, die den Broten unterschiedlichen Charakter geben: lange und runde freigeschobene Brote, Kastenbrote, sog. angeschobene Brote (ohne Kruste an den Seiten) nach Art der Kasseler und Paderborner Brote (Kommissbrote), Spezialitäten wie genetztes Brot oder Gersterbrot und andere landsmannschaftliche Brotsorten. Nach der Oberfläche der Brote sind blanke (glänzende) und bemehlte Brote zu unterscheiden. Zeigen Laibbrote auf der Oberfläche Muster, so ist dies ein Hinweis darauf, dass die Teigstücke während der Endgare in einem (Peddigrohr- oder Stroh-) Körbchen lagen. Der Temperaturverlauf während des Backprozesses spielt eine wichtige Rolle für die Brotqualität. Hohe Anfangstemperaturen führen zu einer starken Kruste, die einen kräftigen Brotgeschmack (z. B. Holzofenbrot) zur Folge hat.

Die Vielfalt der Brotsorten findet ihre Entsprechung bei den Kleingebäcken, insbesondere den Brötchen und Kleinbroten (250 g und weniger). Hier kann man grob unterscheiden: Formbrötchen (z. B. Kaisersemmel), geschnittene Brötchen (z. B. Sternsemmel), Rundstücke (ohne Ausbund), Hörnchen, Laugenbrezeln u. v. m. Als Spezialität sei nur die Lemgoer Strohsemmel genannt.
Es ist schon hier insbesondere auf die sehr zahlreichen Brauchtumsgebäcke hinzuweisen, die zu Anlässen im Lebenslauf und im Jahreskreis regional und lokal unterschiedlich hergestellt werden. Da diese Bräuche den engeren Bereich der Bäckerei überschreiten und insofern eher der Kulturgeschichte zugehören, sollen diese Gebäcke im zweiten Teil dieses Abrisses behandelt werden (siehe unten Punkt 2.1.).

Schließlich gehören auch Feinbackwaren zum Sortiment deutscher Bäckereien. Ihre Vielfalt ist so groß, dass sie sich kaum in Gruppen einteilen lassen. Die Richtlinien für Feine Backwaren von 1915 beschreiben sie wie folgt: Sie enthalten Zutaten, die den Nährwert und die sensorischen Eigenschaften mitbestimmen, nämlich mindestens 10 % ihres Gewichtes Fett und/oder Zucker. Meistens enthalten sie daneben eine oder mehrere weitere Zutaten, wie Milch, Eier, Rosinen, Korinthen, Sultaninen, kandierte Früchte, Quark, Schokolade, kakaohaltige Fettglasur, Mandeln, Haselnuss, Walnuss und weitere. Namengebende andere Zutaten werden in solchen Mengen verwendet, dass die durch ihre Verwendung bezweckten besonderen Eigenschaften bei den Produktmerkmalen sensorischer Art deutlich, bei solchen ernährungsphysiologischer Art wertbestimmend in Erscheinung treten. Elf Feinbackwaren werden namentlich genannt. Für sie gelten besondere Beurteilungsmerkmale. Damit ist jedoch die Vielfalt keineswegs erschöpfend umschrieben.

 

Gründe der ausgeprägten Regionalität

Diese Vielfalt, die in Deutschland ausgeprägter ist als in anderen europäischen Staaten, hat mindestens eine doppelte Ursache. Das sind zum einen seine podologischen und klimatischen Voraussetzungen und zum anderen die besondere Entwicklung seiner Staatsform.

Für den Getreideanbau in Deutschland ist im wahrsten Sinne grundlegend die Beschaffenheit der vorhandenen Böden. Traditionell, und das heißt seit dem 6./5. Jh. v. Chr., wurde hierzulande neben Weizen in weiten Teilen mehrheitlich Roggen angebaut, der auf sandigen Böden in kühlerem Klima besser wächst als etwa südlich der Alpen, wo fast ausschließlich Weizen angebaut wurde (Dinkel in Schwaben). Das ist heute nicht mehr so, aber noch 1872 in dem populär gehaltenen Werk „Das Ganze der Landwirtschaft“ gilt der Roggen kategorisch als „die Hauptbrotfrucht der nördlichen Länder und des lehmigen Sandbodens“. Zu diesem Befund passt eine charakteristische ältere Unterscheidung der Bäckerzünfte in „Fast- oder Festbäcker“ und „Losbäcker“. Die ersteren verarbeiteten die „festen“ Roggenteige, die letzteren die „lockeren“ Weizenteige, wobei es in Obersachsen und im übrigen „Reich“ ausschließlich Losbäcker gab, hingegen in „Niedersachsen, Westphalen und den nordischen Reichen“ ganz überwiegend Festbäcker. Nur in einigen Reichsstädten in Niedersachsen gab es beide Innungen nebeneinander (nach Krünitz, Oekonomische Enzyklopädie, Stichwort „Backen“, Bd. III, 1774). Hiermit ist ziemlich genau die Grenze zum eigentlichen „Schwarzbrotland“ bezeichnet.

In kultureller Hinsicht fast noch wichtiger war die notorische Kleinstaaterei des älteren Reiches. Schon unter den späteren Staufern und dann vor allem in der Kaiserlosen Zeit nach der Absetzung Kaiser Friedrichs II. (1245 - 1273) kam der kaum begonnene Prozess der Zentralisierung der Staatsgewalt zum Erliegen – ganz im Gegensatz zu Frankreich, England und Spanien. Die Führer der mächtigen Stammesherzogtümer bauten ihre Eigenständigkeit teilweise bis zur völligen Autonomie aus. Etwa zur gleichen Zeit etablierten wiederum die in großer Zahl neu gegründeten Städte (oft im Schulterschluss mit dem Kaiser) gegen die jeweiligen Landesherren ihre Unabhängigkeit und ein entsprechend in Sitten und Stil ein betont ortsbezogenes Gepräge. So konnte es dazu kommen, dass Brotformen von Stadt zu Stadt und von Landschaft zu Landschaft wechselten oder lokale Eigenheiten aufwiesen.

In neuester Zeit erlebt diese historisch angelegte Vielfältigkeit noch einmal einen neuen Schub, diesmal vor allem befeuert durch die steigende Konkurrenz eines immer härter umkämpften Marktes. Die verhältnismäßig große Zahl von Bäckereien verschiedenster Größe, die sich einen harten Wettbewerb liefern und gezwungen sind, erfinderisch zu sein. Eine sehr leistungsfähige Zulieferindustrie macht ihren Kunden fortlaufend Vorschläge für neue Brot- und Gebäcksorten, um ihren eigenen Absatz zu sichern. Schließlich ist auch die vergleichsweise gute Ausbildung des deutschen Bäckernachwuchses zu nennen – ein Faktor, den man für die Zukunft leider in Frage stellen muss.

Bäcker knetet Brotteig

Aufgaben der Zünfte

Praktisch zusammen mit den Städten entstanden im 12. Jahrhundert die Zünfte. Neben den wichtigen Funktionen für die Marktkontrolle, für die Kranken- und Sozialfürsorge sowie für die Organisation der Wehr- und Feuerschutzpflichten waren die Zünfte vor allem für die Qualitätssicherung der Backwaren zuständig. Diese verbesserte einerseits das Angebot, andererseits wurden die Zunft-Maßgaben gerne als Wettbewerbsschranke gehandhabt, um unliebsame Konkurrenz vom (städtischen) Markt fernzuhalten. Die Zünfte regelten die Ausbildung und steigerten so das Ansehen des Handwerks erheblich. Recht bald wurde zwischen dem Grad des Lehrlings und des Meisters der Geselle eingeführt. Er hatte mehrere Jahre zu Wandern und lernte so neue Brot-, Brötchen- und Kuchensorten kennen, aber auch andere Städte, eine andere Welt, andere Sprachen. In der Stadt, in der er Meister und damit selbständig werden wollte, musste er einige „Mutjahre“ (Bewährungsjahre) arbeiten, bis er seine Prüfung, das Meisterstück, machen durfte.

Diversifikation des Handwerks

Wenn in den Anfängen der gewerblichen Bäckerei fast ausschließlich Brot und zwei, allenfalls drei Kleingebäcke (Semmeln werden schon in der Karolingerzeit erwähnt) hergestellt wurden, so änderte sich das mit zunehmendem Wohlstand, insbesondere der städtischen Oberklasse, der Großkaufleute und Patrizier. Das führte auch zunächst zu örtlichen, später auch zu regionalen Spezialitäten und Besonderheiten (etwa die Nürnberger Lebküchler).

So muss nicht weiter verwundern, wenn sich vor allem in größeren Handels- und Reichsstädten neben der ursprünglichen Bäckerzunft weitere Gruppen bildeten. Unterschieden wurde häufig nach Arbeits-, Rohstoff- oder Produktmerkmalen in: Schwarz- und Weißbäcker (in Esslingen Trennung 1764 aufgehoben); Sauer- und Süßbäcker (in Ulm bis ins 18. Jahrhundert um Rechte streitend) sowie die schon erwähnten Weiß- und Fastbäcker bzw. Los- und Grobbäcker. Auch gab es „Brot-“ bzw. „Wysbecken“ als bevorrechtigte Feilbäcker, die selbst hergestellte Backwaren für jedermann feilhalten durften, und “Husführer“ bzw. „Ruggenbecken“, die nur Kundenmehl (Roggen) gegen Lohn verarbeiten durften (in Freiburg friedlich in einer Zunft zusammen). „Jodenbeckere“, „Roggenbeckere“ und „Kokenbeckere“ (in Braunschweig schon im 13. Jahrhundert erwähnt) trennen sich zuweilen in separate Gruppen wie z. B. in Hamburg.

Wichtig ist die Trennung in Weiß- und Innebäcker (Braunschweig). Letztere konnten nur die „halbe Gilde“ erwerben, waren Lohnwerker. Es durften „die Witbecker nicht innebacken, und de Innebecker nicht wit noch tho feile kope [Kauf] backen“. Ähnliches galt für die Bau- oder Bauernbäcker in Kaiserslautern. Sie waren nicht voll- sondern „beizünftig“, durften nur auf dem Land für Bauern, in der Stadt nur Schwarzbrot als Lohnwerker backen (1659). Letztes Beispiel für eine solche rechtliche und ökonomische Ausgliederung sind die „Nachbecken“ in Augsburg. Sie hatten keine Bäckereigerechtigkeit im eigentlichen Sinn, wirtschafteten nicht mit eigenem Ofen, sondern übten ihr Handwerk im Hause eines „Vorbecken“ aus. Ihre Brotproduktion war auf die Hälfte derjenigen der Vorbecken beschränkt („Becken-Ordnung“ von 1606, Artikel 58).

Handwerkstradition und Gewerbefreiheit

Wenn auch nominell mit der endgültigen Einführung der Gewerbefreiheit in Deutschland (zwischen 1861 und 1868) die Zünfte aufgehoben wurden, so zeigte sich doch bald, dass gerade das Bäckerhandwerk kaum auf eine organisierte Berufsausbildung verzichten konnte. Diese Aufgabe übernahmen nun Handwerkskammern und Innungsverbände. Auf diese Weise wurden zahlreiche regionale Besonderheiten und Traditionen bewahrt, die sich zugleich gegen vereinheitlichende Tendenzen der zusammenwachsenden Lokal- und Regionalmärkte und der sich ausweitenden industriellen Bäckerei zu behaupten hatten und haben.

Brot – gesundes Lebensmittel mit weltweit wachsender Bedeutung

Brot ist auf dem Vormarsch, es gewinnt weltweit fortlaufend an Bedeutung. Japan ist in den vergangenen dreißig Jahren vom Reis- zum Brotland geworden. Brot löst auch in vielen Entwicklungsländern allmählich die traditionelle Nahrung ab. Zunächst in den Städten — danach auch auf dem Land.

Weizenbrot ist verführerisch. Ihm haftet der Nimbus des Wohlstands- oder gar Luxusnahrungsmittels an. Darum erscheint es den wenig informierten Menschen als begehrenswert. Brot hat für sie auch den Vorteil, dass es eine Nahrung ist, die man nicht selbst zuzubereiten braucht, sondern kaufen und gleich verzehren kann, die rasch sättigt, die keinen sehr ausgeprägten Eigengeschmack besitzt und daher leicht zusammen mit anderen Nahrungsmitteln zu essen ist.

Der Mensch und das Brot

Mit dem Begriff „Brauchtumsgebäck“ (brauchtümliches Gebäck) bezieht man sich auf die Funktion der Gebäcke im Brauchtum. Auf den Kalender und damit auf das Jahresbrauchtum verweisen die Begriffe „Termin-“ bzw. „Zeitgebäcke“. Bei Gebäck, das mit besonderen Anlässen im Lebenslauf zu tun hat, könnte man von „Anlassgebäcken“ sprechen.

Brot im Jutesack

Unter den noch heute auf den Markt gebrachten Brotformen lassen sich (mit Ernst Burgstaller) zwei große Verwendungsgruppen unterscheiden: die „Alltagsgebäcke“, also die üblichen „schwarzen“, „weißen“ oder „grauen“ Brotsorten mit ihren Hauptformen als Laibe, Wecken, Semmeln usw. und die „Festtagsgebäcke“, die nur zu bestimmten Kalendertagen üblich sind und sich in der Regel sowohl durch die Verwendung besonderen Materials als auch vor allem durch eine besondere Formgebung unterscheiden.

Im Wesentlichen lassen sich bei letzteren wiederum zwei Hauptarten unterscheiden: die Formung von Hand und die Formgebung durch Model. Solche, in irgendeiner bildlichen Form vorkommenden Gebäckarten bezeichnete Ernst Ludwig Rochholz als „Gebildbrote“. Heute meint man mit diesem Begriff eher das von Hand geformte Gebäck aus Weißbrot- (Semmel-) und – in zunehmendem Maße – Briocheteig u. ä. Manchmal ist auch von „figürlichem Gebäck“ die Rede.

 

Stollen auf Schneidebrett

Gebäcke im Weihnachtsfestkreis

Nikolaus, der gabenbringende, gute Bischof aus Bari bzw. Myra, und sein strafender Begleiter (Knecht Ruprecht, Krampus), erscheinen tatsächlich in Maske oder werden als sagenhafte Gestalten vorgestellt. Für sie stellen die Kinder nächtens Schuhe, Teller, Körbe auf, um Gaben (oder zur Strafe eine Rute) zu erhalten. Die Gaben waren früher Gebildbrote mit den entsprechenden Namen „Nikolo“, „Klos“, Sonaklas“, „Bischof“ etc. bzw. „Krampus“, „Kramperl“, „Gritibänz“ etc. Von dem überaus vielgestaltigen Brauchtumsgebäck ist heute allerdings fast nichts als der Schokoladen-Nikolaus übriggeblieben – woraus schon eine Grundtendenz der Gebildbrotkultur zu ersehen ist: sie schwindet und ist schon jetzt größtenteils nur in der Vergangenheitsform zu beschreiben.

Der Advent ist bis heute vor allem die Zeit des häuslichen Backens. Alle Kleingebäcke sowie Früchte- und Kletzenbrot werden aber auch von der gewerblichen Produktion angeboten.
Der Stollen ist das klassische Weihnachtsgebäck. Seine Form soll das neugeborene Christus-Wickelkind symbolisieren. Für die Herstellung des üppigen Gebäcks mitten in der vorweihnachtlichen Fastenzeit haben die Dresdener Bäcker im Jahr 1491 vom Papst selbst die – gegen ein Bußgeld gewährte – Erlaubnis erhalten, Butter und Milch statt Wasser, Hafer und Rübenöl zu verwenden. Das Schreiben Innozenz’ VIII. ging als „Butterbrief“ in die Geschichte ein.

Neujahrsgebäcke

Silvester ist die Nacht des gesellschaftlichen Beisammenseins und der Orakelspiele. Dazu gehört auch das „Glücksgreifen“, das auch mit Miniaturgebäcken (Mann und Frau = Ehe, Ticket = Reisen) gespielt werden kann. Um Mitternacht oder am Neujahrsmorgen verzehrt man im geselligen wie im privaten familiären Kreis die Neujahrsfischchen (früher aus Lebkuchenteig und häufig als Zeile gemodelt, heute aus Biskottenteig) oder die „Neujahr“ bzw. „Neujährchen“ genannten Spiralgebäcke.

Das Dreikönigsfest (6.1.) galt als „Groß-“ oder „Bauernneujahr“. Bis zu diesem Tag durfte man „Neujahr“ wünschen und das neue Jahr „ansingen“. Den Neujahrssängern wie den Sternsingern schenkte man immer auch Termingebäcke, zum Beispiel „Neujahrsbrezeln“. Für die Wahl des Bohnenkönigs am Dreikönigstag, als Beginn der Narrenherrschaft und Auftakt zur „verkehrten Welt“ aufgefasst, wurde der „Bohnenkuchen“ („Königskuchen“, „Dreikönigskuchen“) gebacken.

Fastnachtsgebäcke

Das Gebäcksinnbild von Fasching / Fas(t)nacht / Karneval ist der Faschingskrapfen (Fastnachtschräpfle, Fastnachstküechle), wobei der „Wiener Faschingskrapfen“ bereits Teil des nicht termingebundenen Konditorenangebotes ist. Der Krapfen gehört zur Gruppe der Schmalzgebäcke, die ganz allgemein Sinnbilder üppiger Festtagsfreude sind. Die Bezeichnungen „fetter“, „feister“, „schmalziger“ oder „schmutziger“ (alemannisch „Schmutz“ = Fett) sowie auch „Schmer“-Donnerstag (Donnerstag vor der eigentlichen Fastnacht von Faschingssonntag bis Faschingsdienstag) weisen deutlich auf die Schmalzgebäcke wie Krapfen, Küechli u. a. hin. Die närrische Zeit endet mit „der Fasten“; deren Symbolgebäck ist die Brezel.

Ostergebäcke

Auch dem Hasen („Osterhasen“) als Gebildbrot hat der Schokoladenhase längst den Rang abgelaufen. Der Osterhase wurde seit dem 18. Jahrhundert immer mehr zum Eierbringer, die anderen (etwa Hahn, Fuchs) gerieten zunehmend in Vergessenheit, auch wenn sie sich zum Teil als Termingebäck erhalten haben.

Der seinerzeit safrangelbe „Osterfladen“ oder „Osterfleck“ ist fladenartig bzw. scheibenförmig und mit Stichelungen („Stupfen“) oder geradelten bzw. eingedrückten Linien in Form geometrischer Muster (besonders Sterne und Rauten) verziert. Als Belohnung für ihre Dienste in der Karwoche (in der die Stunden nicht geläutet werden) wird heute nur noch Geld gesammelt; früher forderten die Ratscher- oder Klapperbuben das Termingebäck indem sie riefen:

Wir klappern die Christen zum Pumpermetten, alte Weiber, stehts auf und bachts Osterflecken!

Der österliche Fladen oder Fleck wird immer mehr durch das „Osterkipfel“ ersetzt, das ebenfalls eine alte Form darstellt, denn von „panes lunati“, halbmondförmigen Broten, ist schon in einer karolingischen Urkunde aus St. Gallen die Rede.

Allerseelengebäcke

Allerheiligen/Allerseelen gilt allgemein als Doppelfest, bei dem das Totengedenken im Vordergrund steht. Der Termin ist im Hinblick auf Brotspenden und Gebäckgeschenke einer der wichtigsten im Jahr, hinsichtlich der sozialen Relevanz war er vielleicht sogar der bedeutendste. Empfänger waren bzw. sind Arme, Dienstboten und Patenkinder. Die Bezeichnungen für die Gabensammler und die Bittsprüche nehmen auf die regional üblichen Gebäcke und auf den Termin Bezug, zum Beispiel „Armenseelengeher“, „Seelenweckengeher“, „Heiligenstriezel-sammler“. Den Hauptteil der Austeilbrote machten kleine Laibchen und Wecken aus, von denen oft Hunderte auf Vorrat gehalten wurden. Der Dank lautete unter anderem: „Vergelts Gott für die armen Seelen!“

Für die Laibchen, Wecken und Striezel wurde weißes und schwarzes Mehl verwendet. Eine Abstufung der Mehlqualität konnte verschiedene Gründe haben. Einer davon war das früher sehr wichtige Kriterium der Ortszugehörigkeit. A. Baumgarten berichtet für die Zeit um 1860, dass weiße Gebäcke für einheimische Armenseelengeher und Kinder, schwarze hingegen für Ortsfremde vorgesehen waren.

Brot und Salz

Geburt und Taufe

Brot bzw. Gebäck begegnet im Zusammenhang mit Geburt und Taufe entweder als Amulett oder als Geschenk. Als magische Präventivmaßnahme aß die Wöchnerin in der ersten Woche nach der Geburt nur das Brot der Patenleute („Gevatterbrot“), weil es das Kind vor Unheil schützte und stark machte. Gegen böse Wünsche, das „Verschreien“, „Vermeinen“ oder „Verneiden“, die die gefürchteten Fraisen (Krämpfe, Epilepsie) und andere vielfach tödliche Kinderkrankheiten nach sich ziehen könnten, schützte die junge Mutter noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts ihr Kind mitunter durch ein „Schaubrot“ – ein Brot, das lange Zeit in der Auslage eines Bäckers gelegen und die Blicke vieler Menschen auf sich gezogen hatte.

Zu dieser Zeit war es auch üblich, dass der Pate des Kindes der Mutter bestimmte Brotgaben schenkte („wies“): gleich nach der Taufe (Geburt) „sechs Semmelwecken und einen Vierling Zucker“, drei Tage später das reichere „Vorwaisat“ (sechs Semmeln, ein Huhn und 30 Eier). Das eigentliche „Weisat“ (ein großer Semmelwecken, 30 Eier und ein Hemdchen für das Kind) wurde zwölf Wochen nach der Entbindung gebracht (nach Burgstaller). Das „Weisat“ diente wohl nicht nur der Erleichterung der wirtschaftlichen Lage, sondern sollte sicher auch den Ausfall der Köchin wettmachen und zudem der Familie gegenüber Wertschätzung ausdrücken.

Liebe und Hochzeit

Sowohl bei der offiziellen Brautwerbung, wie bei inoffiziellen Neigungsbekundungen spielten (unter anderem) gewisse „Anschneideriten“ eine Rolle. Das Mädchen ließ den Auserwählten zum Beispiel vom Allerheiligenstriezel kosten und schnitt ihm ein Stück ab. Gemeinsames Abschneiden und gemeinsamer Genuss hatten dann den Rang einer Verlobung.

Den Mittelpunkt des weltlichen Hochzeitsfestes bildet das gemeinsame Mahl, das oft mit Tanz verbunden ist. Das „Heirats-“ oder „Hochzeitsbrot“ wurde im Haus der Braut hergestellt. Diese „Bracht“ der Braut durfte nur vom Bräutigam angeschnitten werden. Der Anschnitt musste zusammen mit dem Hochzeitsbuschen aufgehoben werden, auf dass das Brot im neuen Haushalt niemals ausgehen möge.

Im Laufe der Zeit wird das Hochzeitsbrot nicht mehr zu Hause gebacken, sondern beim Bäcker in Auftrag gegeben. Die „Hochzeitssemmel“ (auch „Tafel-“ oder „Mahlsemmel“), die das Hochzeitsbrot ersetzt, ist von vornherein ein Bäckererzeugnis und wird vom Wirt, bei dem das Hochzeitsmahl stattfindet, bestellt und auf die Tafel gestellt. Sie ist viel größer als die Alltagssemmel oder als Doppelform („Paarsemmel“, „Paarl“) gearbeitet.

Oft steht ein einzelnes, besonders eindrucksvolles und schön geschmücktes Gebäck im Mittelpunkt besonderer Handlungen, zum Beispiel ein großes geflochtenes Kranzgebäck, „Hochzeitsbeugel“ oder „-kranz“ sowie „Bah“ auch „Baa“ oder „Ba“) genannt. Um dieses von der Braut, der Brautmutter, der „Kranzjungfer“ usw. ausgeworfene Gebäck entsteht eine Balgerei („Bah-Raufen“), denn sein Besitz gilt als gutes Omen.

Verschiedenste Austeilbrote und –gebäcke werden verteilt, oder Schaubrote und Kuchen werden mitgebracht und präsentiert. „Krapferlschauen“ gehört zum Umfeld einer Hochzeit.

Mittelpunkt der Feier ist heutzutage die mehretagige Hochzeitstorte nach angelsächsischem Vorbild. Vorläufer dieser auffälligen Schautorte waren früher zum Beispiel der „Blattlstock“ und der Prügelkrapfen („Prügel“, „Stutzen“, „Baumkuchen“).

Tod und Begräbnis

Brot ist im Zusammenhang mit Tod und Begräbnis unter anderem Schutz, Erkennungszeichen im Jenseits, Ausdruck oder Mittel der Verbindung mit dem/der Verstorbenen, aber auch Armenspende. Zum Kreis derer, denen die Brot- bzw. Gebäckspenden zuteilwurden, zählten viele. Dem Boten („Leichenbitter“) musste man, wenn er die Einladung zur Begräbnisteilnahme überbrachte, Brot reichen, denn „sonst lässt er den Tod zurück“. Den Besuchern im Trauerhaus sowie den Teilnehmern an der nächtlichen Totenwache gaben die Hinterbliebenen einen Laib Brot mit der Aufforderung

„Schneid ab und iss von seinem Brot, damit ihr euch in der anderen Welt erkennt!“

Brotspenden wurden auch während des Leichenbegräbnisses oder im Anschluss daran verteilt. Körbe voll Semmeln oder Wecken wurden vom Bäcker zum Friedhof oder in das Gasthaus, wo der Leichenschmaus stattfand, geschafft. Es wurden alle Trauergäste sowie die offiziell an der Bestattungszeremonie Mitwirkenden wie Kreuz-, Licht- und Sargträger, Ministranten und Läutebuben usw. bedacht, „damit viele Vergeltsgott zusammenkommen“ (Zum Wohl der armen Seelen im Jenseits).

Die Formen der „Tischbrote“ beim Totenmahl und Austeilbrote sind so vielfältig wie die Bezeichnungen. Die runden Semmeln, Laibchen, Wecken, Kipferl, „Flößl“ (kleine Zopfgebäcke in Zeilenform) und weitere Arten wie zu Allerseelen heißen unter anderem „Toten-“, „Bestattungs-“, „Seelen-“, „Zehrungs-“ oder „Konduktsemmel“ etc. Dann gibt es noch die allgemeineren, einfach auf ein festliches Mahl oder die Tafel bezugnehmenden Bezeichnungen wie „Mahlsemmel“, „Tafelbrot“ und „Auflegesemmel“ (die auf der Tafel neben dem Gedeck aufgelegt ist), die wir auch in anderen Zusammenhängen, etwa bei der Hochzeitstafel, finden.

Redensarten und Sprichwörter um das Brot spiegeln vor allem eines wieder: den Grad, in dem der Mensch sich seiner existentiellen Abhängigkeit vom Brot bewusst ist. Auch hier ist das Problem natürlich ein höchst allgemeines; die Sprichwörter geben ihm aber jene mundartliche Färbung, aus der die persönliche Erfahrung spricht.

Eine der bekanntesten Wendungen stammt schon aus der Bibel (1. Mose 3,19):

„Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen.“

Damit ist ein moralisierender Ton vorgegeben, der die Arbeit als Strafe für den Sündenfall erklärt. In dieser Perspektive erhält das Christuswort erst seinen Sinn, der darauf deutet, wie allein diese „Strafe“ aufzuheben sei, nämlich indem der Mensch erkennt „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.“

Doch gegen diese quietistische Einsicht schleudert Bertolt Brecht in seiner Ballade über die Frage: "Wovon lebt der Mensch"? den seinerseits sprichwörtlich gewordenen Satz: „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.“ Und er konkretisiert:

„Erst muss es möglich sein auch armen Leuten Vom großen Brotlaib sich ihr Teil zu schneiden.“

Dem einfachen Volk ist diese Sicht der Dinge sowieso viel vertrauter. Ganz ohne revolutionären Anspruch (aber mit leicht subversivem Unterton) heißt es in Iserlohn etwa: „'N Stück Brot in der Taske es biäter as 'ne Fiär omme Haue“; der Bayer sagt: 

„Besser a Stuck Brot im Sack als Federn am Hut.“

Brot ist so grundlegend, dass es letztlich als Synonym für Nahrung überhaupt gebraucht wird. Besonders originell geschieht dies, wenn z. B. in Meiningen das Obst als wichtiges Nahrungsmittel hervorgehoben werden soll: „Das halb Brûd (Brot) hängt an den Bäme (Bäumen).“

Brot wird sogar als Synonym für Arbeit gebraucht: wer arbeitet, „verdient sein Brot“; das „Brotstudium“ befähigt zum „Broterwerb“, zu Arbeit, die ihren Mann ernährt, im Gegensatz zur „brotlosen Kunst“ (ars sterilis), von der man nicht leben kann.

Somit ist Brot letztlich ein Synonym für Leben schlechthin, was noch in der barocken Wendung anklingt, die das „Töten“ ausdrückt, indem sie sagt, man habe jemanden „vom Brot getan“ (etwa Andreas Gryphius, Herr Peter Squenz, 2. Akt).

„Wo Fried ist, da ist Gott und Brot, wo Unfried ist, ist der Teufel und d’Not“

heißt es im Schwäbischen. Die Abwesenheit von Brot bedeutet Hunger und steht für alle Übel der Welt. Das wird schon deutlich, wenn man den Kindern, die das trockene Brot nicht mögen, entgegnet: „Brot ist nicht hart. Kein Brot – das ist hart.“ Ein Sprichwort weiß: „Nach dem Weißbrot kommt das Graubrot oder der Hunger“. Wer aus Brotmangel betteln muss, bekam etwa in Kamnitz leicht zu hören: „Bettelbrot macht faul.“, in der Niederlausitz gar: „Bettelbrot macht frech.“, nur in der Uckermark wusste man: „Betterbrot schmeckt bitta.“

Den Ausdruck tiefster Verzweiflung schließlich malt Goethe im Wilhelm Meister (Lehrjahre, Band I, 2. Buch, 13. Kapitel) mit einem biblischen Bild (Psalm 80,6), wobei sich freilich der Dichter die aus dem Versmaß herausfallenden „himmlischen Mächte“ durchaus mit sarkastischer Verachtung ausgesprochen vorgestellt haben wird:

Wer nie sein Brod mit Thränen as,
Wer nie die kummervollen Nächte
Auf seinem Bette weinend sas,
Der kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte.
Das letzte Abendmahl mit Brot

Das Brot, als Hauptnahrungsmittel der Menschen der Zeitenwende gleichbedeutend mit Leben schlechthin, war ein ebenso einfaches wie treffendes Symbol für die Erlösungsbotschaft des Jesus von Nazareth. So wie das Brot für gewöhnlich im Kreis der Familie oder sonstiger Brotgenossen gebrochen wurde, um als Nahrungsmittel die Menschen am Leben zu erhalten, so verstand sich Christus, der Sohn Gottes, als Träger jener umfassenden Liebe, die den Einzelnen eines Lebens in der Gemeinschaft der Gläubigen teilhaftig werden und in ihr aufgehoben sein lässt.

Beim letzten Abendmahl deutete er seinen eigenen Tod als Ausdruck jener voraussetzungslos hingebenden Liebe, und im gläubigen Verzehr des Abendmahlsbrotes teilt sich dieses Selbstopfer des Gottessohns einem jeden Kommunikanten mit, und zwar physisch wie spirituell. Die angewandte Seite derselben Liebe, die Tugend der tätigen Nächstenliebe, wurde in vorbildlicher Weise gelebt von den Heiligen.

So sind Abendmahl und Caritas bis ins 20. Jahrhundert hinein die beiden Hauptgründe, warum Brot in der abendländischen Kunst überhaupt eine Rolle spielt. Und auch jede spätere Darstellung von Brot - selbst noch in bewusster Entgegensetzung zu christlichen Traditionen - ist hier nicht denkbar ohne den christlichen Subtext. Die Darstellungen reichen vom Abendmahl selbst bis zu den letzten "brotrelevanten" Stellen des Alten und Neuen Testaments, die ihrerseits von den frühchristlichen und mittelalterlichen Theologen auf diese zentrale Szene bezogen worden waren.

Ein Hinweis auf die große Volkstümlichkeit des Brot-Themas ist dabei der Umstand, dass es in allen zur Verfügung stehenden künstlerischen Techniken und Qualitätsgraden bearbeitet wurde, vom Wandfresko im Papstpalast (Raffaels "Disputa") bis hinab zu den massenhaft gedruckten Andachtsbildchen der Gegenreformation. In der Stilllebenmalerei nehmen seit dem 16. Jahrhundert Brot und Wein als die äußerlichen Gestalten des Altarsakraments die prominenteste Stellung ein. Insbesondere diese Tradition reicht weitgehend ungebrochen bis in die Gegenwart mit Bildern (Dieter Krieg "o. T. (Butterbrot)"), Objekten (Man Ray: "Blue Bread") Multiples (Joseph Beuys, "Wirtschaftswerte"), Installationen (Jan Vostell, "Berliner Brot"). Unübersehbar ist auch die Menge der Darstellungen brotspendendender Heiliger (Elisabeth, Barbara, Nikolaus, Johannes v. Padua u.v.a.).

Ein besonderes Feld der Caritas-Darstellung ist die Selbstrepräsentation privater wohltätiger Stiftungen und Bruderschaften in den Städten. Über zwei Jahrhunderte erstreckt sich hier eine europaweit verbreitete Bildtradition zum Thema der "Sieben Werke der Barmherzigkeit", in der regelmäßig die Brotspende (neben der Kleiderspende) an prominentester Stelle erscheint. Doch gerade aufgrund dieser fundamentalen Bedeutung des Brotes im Christentum spielt das Brot in der älteren Kunst weniger eine nationaltypische Rolle.

Das ändert sich mit dem verspäteten Entstehen eines deutschen Nationalbewusstseins nach 1816 und eines Nationalstaates nach 1871. Im 19. Jahrhundert erwachte das Interesse an landestypischen Bräuchen und in diesem Rahmen wurden gerne auch Tischszenen mit Brot - als Ausdruck volksverbundener Bodenständigkeit - dargestellt. Exemplarisch kann man das in vielen Werken von Malern wie Karl Kreul, Franz von Lenbach, Eduard von Grützner oder Adolf Eberle beobachten. (Ein direkter Vorläufer dieser Art von Genrebildern hatte sich bereits im 17. Jh. in den bürgerlichen, merkantil hochentwickelten Niederlanden herausgebildet.)

Im "Dritten Reich" wurde allerdings genau diese Traditionslinie der deutschen Malerei bereitwillig aufgegriffen und im Sinne der nazistischen "Blut- und Boden"-Ideologie verflacht und in propagandistischer Absicht perpetuiert. Infolgedessen waren nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges Darstellungen dieser Art, mithin auch Brotdarstellungen, zunächst völlig Tabu. Noch in den Siebziger Jahren konnte es als gezielter Affront aufgefasst werden, wenn Markus Lüpertz in breiter, neo-expressiver Malweise eine gutdeutsche Gugelhupfform bildfüllend und auf irritierende Weise von ferne an einen gigantischen Stahlhelm erinnernd, auf einem Weizenfeld präsentiert.

Im Osten Deutschlands versuchten einzelne Künstler wie etwa Volker Stelzmann oder Harald Metzkes im Rahmen eines politisch verordneten "sozialistischen" Realismus einen persönlich motivierten Blick auf das unter den gegebenen Umständen etwas wohlfeile Motiv zu werfen, indem sie sich auf die introvertierte (und daher wenig geliebte) Andachtsform des (Brot-)Stilllebens besannen. Gesteigerte Aufmerksamkeit wurde dem Brot auch in der Kunst immer in Zeiten des Mangels zuteil, so vor allem in den Krisenjahren der Weimarer Republik nach dem Ersten Weltkrieg. Ein beträchtlicher Teil der kritischen Kunst dieser Jahre beklagt nicht nur den Hunger, sondert erhebt auch direkte Anklage gegen die eigennützigen Interessen und verblendeten Überzeugungen, die diesen Mangel verursacht haben.

Die stärksten und eindringlichsten Arbeiten zum Thema Brot stammen von Künstlern und Künstlerinnen wie Otto Dix, Georg Grosz, Karl Hubbuch, Käthe Kollwitz, Ernst Barlach, Max Beckmann. Gerade vor diesem letzten Hintergrund erscheint der Umgang der gegenwärtigen Kunst mit dem Brot in einem besonderen Licht. Fast scheint es so, als ließe sie das Brot überhaupt als Thema fallen. Wenn dieser Eindruck auch aus verschiedenen Gründen verfehlt wäre, so ist doch zu beobachten, dass sich zwar sehr viele Künstler mit dem Themenfeld Essen und Nahrung auseinandersetzen, aber dennoch dem Brot im Besonderen praktisch keine nennenswerte Arbeit gewidmet ist. Das liegt vor allem daran, dass "die Kunst" sich seit den siebziger Jahren noch einmal sehr verändert hat. Der Zugang zu Themen ist sehr viel systembewusster, ironischer, desillusionierter geworden, so dass sich der "naive", rein illustrative Zugriff auf einzelne Motive heute nahezu von selbst verbietet. Der elementare Lebensvorgang "Essen" ist so also unausweichlich eines der wichtigsten Themen gegenwärtiger Kunst, doch als virulentes Hauptproblem stellt sich eher die Frage nach dem Verhältnis von industrialisierter und digitalisierter Umwelt zum eigenen Körper als letztem Unterpfand einer authentischen Realität.

An die Stelle der ganz direkten Erfahrung existentiellen (Brot-)Mangels ist unter den Bedingungen eines industriell ermöglichten allgemeinen Nahrungsüberflusses die (paradoxer Weise) nicht weniger bedrohliche Erfahrung eines Mangels zweiter Ordnung getreten: eines "Mangels des Mangels". Der überinformierte und überfütterte Einzelne verliert gerade dadurch den Kontakt zu einem "echten" Erleben. (Und gerade daher steht das Prädikat "Erlebnis-" heute so hoch im Kurs.) Wenn Künstler heute auf Brot zurückgreifen, geht es eher darum, die Erfahrung "echten", "wahren", "erfüllten" Essens nachzuspielen. Daher die zahllosen Ess-Events oder jene Hantierungen mit Broten, die ihrer alltäglichen Verwendung bewusst entfremdet werden.

Brote und Brötchen auf einem Tisch im Kornfeld

Es bleibt festzuhalten: Deutschland ist das Land des Brotes, der Brotvielfalt und des Brotgenusses. Roggenbrote, Mischbrote, Bauernbrote, Pumpernickel, Kleingebäcke wie Brezeln, Sternsemmeln, Schrippen und viele andere mehr sind unbestrittene Kulturbotschafter für Deutschland.

Deutsche im Ausland sehnen sich nach deutschem Brot und die ausländischen Gäste in Deutschland lassen sich gerne von deutschem Brot verführen. Das gebackene Brot ist vermutlich so alt wie die Kulturtechnik der gebrannten Tonware, die im Jungpaläolithikum entstand. In Deutschland wurde das Brot nicht erfunden, aber in den deutschsprachigen Ländern hat sich eine weltweit einzigartige Brotkultur entwickelt. Die Bäcker haben über Jahrhunderte das Wissen der Brotherstellung gepflegt und verfeinert. Die Zünfte und Innungen haben dieses Handwerk zur Blüte gebracht. Dieses Erbe gilt es zu bewahren! Viele mit den verschiedenen Brotarten verbundene Bräuche drohen zu verschwinden. Die einmal entstandene Fülle von Formen und Sorten wird nur dann sinnvoll erlebt werden können, wenn auch die Erinnerung an die Traditionen wach bleibt, die sie hervorgebracht haben.

Brote in der Übersicht

Eine umfangreiche Übersicht der verschiedenen registrierten Brotspezialitäten.

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Brotkultur

Die Deutsche Brotkultur ist weltweit einzigartig. Doch wie viele Sorten Brot werden wirklich jeden Tag in den deutschen Bäckereien gebacken?

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Museum Brot und Kunst

Im Jahre 1955 gegründet, widmet sich das Museum der Geschichte des Brotes.

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